Die soziale Unerwünschtheit des Auffallens

Gab es schon mal eine Situation in Deinem Leben, in der Dir ein Missgeschick passiert bist, und alle um Dich herum haben es mitbekommen? Vielleicht haben alle einfach nur gelacht, aber vielleicht haben Dich hinterher alle nur noch komisch angeschaut.

Ich habe mal auf einer Party versucht, ein Sofa anzuzünden. Wie Du jetzt möglicherweise vermutest war da Alkohol im Spiel, und zwar nicht wenig. Klar, das wussten die anderen auch, aber trotzdem waren die Blicke, die ich nach der Party von den anderen Gästen bekam alles andere als angenehm.

Wahrscheinlich hast Du auch schon mal so eine Situation erlebt, und wahrscheinlich ging es Dir dann ähnlich wie mir. Das Gefühl, dass andere Dich mit ihren Blicken abwerten, ausgrenzen und Dir zeigen, dass sie Dich nicht mögen tut weh.

Im letzten Blogartikel hatte ich ja schon angedeutet, dass Auftrittsangst und Lampenfieber etwas damit zu tun haben, dass wir dazugehören wollen. Das hat einen ganz einfachen Hintergrund, der am Anfang der Menschheitsgeschichte begründet ist. Damals lebten die Menschen in kleinen Dorfgemeinschaften, jeder kannte jeden und jeder trug etwas dazu bei, dass es allen gut ging. Einer ging jagen, der andere fing Fische, wieder einer sammelte Beeren und irgendjemand passte natürlich auch auf die Kinder auf und reparierte nebenbei noch ein Loch im Dach einer Hütte. Im Gegensatz zur heutigen Gesellschaft, in der wir theoretisch komplett ohne soziale Integration überleben können, war es damals überlebenswichtig, zur Gruppe dazuzugehören. Denn ohne die Gruppe, die einen vor Säbelzahntigern oder anderen, räuberischen Sippen beschützte, ohne das wärmende Feuer und auch ohne die psychische Stabilität, die einem die Gemeinschaft gab, wurde man ziemlich schnell zum Opfer. Von wem oder was auch immer.

Auch wenn wir uns seit dieser Zeit in vielen Bereichen weiterentwickelt haben, sind wir durch die Überlebensmechanismen, die nach wie vor in unserem Stammhirn einprogrammiert sind, zum Teil immer noch Höhlenmenschen.

OK, dass sowas wie Sofas anzünden der Gemeinschaft nicht dienlich ist, ist klar, aber darstellende Kunst und Musik sind doch etwas, wovon das ganze Umfeld etwas hat. Das dient doch auch der Gemeinschaft, warum haben wir dann Auftrittsangst und Lampenfieber?

Jetzt kommt der perfide Teil: Viele von denen, die über diese menschlichen Mechanismen Bescheid wussten, haben sie auch missbraucht, um Macht zu bekommen und andere zu kontrollieren. Egal ob mit religiösen oder ethnischen Motiven, die Menschheitsgeschichte ist voll davon. Neben unfassbaren Gewaltakten hat es auch dazu geführt, dass diejenigen, die selber nicht über die Mechanismen Bescheid wussten, klein gehalten wurden, um zu verhindern, dass sie die Position der Machthabenden in Frage stellen. Solange die Machthabenden dafür sorgten, dass es einigermaßen regelmäßig was zu essen gab, akzeptierten die anderen die Struktur. Wer satt ist geht nicht auf die Straße. Und wenn das Essen mal knapp wurde, dann hetzten die Machthaber eben gegen ein Feindbild, das angeblich Schuld war an der Misere. Wenn Du Dir die aktuelle Politik ansiehst (sowohl lokal als auch global) wirst Du diese Struktur immer noch und überall finden.

Auf jeden Fall ist unser ganzes soziales System, unsere Erziehung, unsere Schulen, unsere Wirtschaft, darauf ausgerichtet, dass wir uns klein und schwach fühlen und nicht aufbegehren. Die Pseudoselbstverwirklichung durch Custom-Made-Klopapier ist ja auch kein wirklicher Individualismus, da das mittlerweile auch jeder hat.

Wir können also zusammenfassen: Auffallen ist sozial unerwünscht. Vielleicht bewundern wir wirklich erfolgreiche Künstler nicht nur deswegen, weil sie ein großartige Ding erschaffen, sondern auch, weil sie durch ihr Auffallen zeigen, dass sie unabhängig und damit stark sind.

Jetzt weißt Du ein bisschen was über die Hintergründe zur sozialen Unerwünschtheit des Auffallens, aber wie kommst Du aus dieser Falle raus? Klar, Du kannst Bücher und Blogs darüber lesen, so wie diesen, das ist schon mal ein guter Anfang. Du kannst Coachings und Seminare machen, das kann Dir helfen, dieses Problem schneller in den Griff zu bekommen. Vor allem ist es jedoch wichtig, dass Du Dir bewusst wirst, dass dieses Gefühl nur eine Illusion ist. Dieses Gefühl, dass Auffallen dafür sorgen kann, dass Du aus der Gruppe ausgestoßen wirst, ist eine anerzogene Lüge! Es ist wie ein Virus, das in Dir wuchert. Wenn Du dieses Virus besiegst, oder zumindest in den Griff bekommst, dann bist Du schon einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung gegangen. Ein paar Tipps und Techniken, wie Du das schaffen kannst, verrate ich Dir im nächsten Blogartikel.

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